Kunst- Und Kulturmanagement Praktikum: Agentur für Markeninszenierung in Berlin

Ich habe mehr gelernt, als ich gedacht hätte. Was ich gemacht habe? Mitgeholfen! Wobei? Bei allem!

Das Kundenunternehmen beauftragt die Agentur, eine Veranstaltung zu organisieren. In der Agentur wird ein Team aufgestellt und die Planung beginnt. Wir setzten uns mit Architekten, Dramaturgen, Messebauern und weiteren kreativen Köpfen an einen Tisch und überlegen, besprechen und diskutieren das Konzept des Events. Locations werden gesucht und angefragt, Künstler und mögliche Redner recherchiert und Kosten werden überschlagen. Nachdem unsere Kontaktperson der Eventabteilung des Kundenunternehmens das Okay vom Vorstand übermittelt hat, fangen wir an, all diese weiteren Organisationen und Dienstleister zu beauftragen, die unser Konzept in die Tat umsetzten. 

Büro

Die Agentur fungiert so als Schnittstelle zwischen Kundenunternehmen und den weiteren Event-Dienstleistern, die von der Agentur beauftragt werden, damit das Event realisiert werden kann. 

Das Projektteam der Agentur arbeitet mit Lichtdesignern und Bühnenbauern zusammen um die bewegliche Bühne, die Farbe des Holzbodens zusammen mit der Lichtstimmung, abzusprechen. Ein eigenes Lichtteam ist für die visuelle Unterstützung nötig und eine Firma wird beauftragt, die sich nur um Akustik und Sound kümmert. Parallel müssen die beiden Messehallen mit Möbel ausgestattet werden: Das bedeutet, Möbellieferanten zu vergleichen, anzufragen, Angebote einzuholen und Aufträge zu schreiben. Natürlich alles nur nach Absprache mit dem Kunden. 

„Der Vorstand hätte gerne runde kleine Tische zwischen den Sitzreihen stehen und nicht diese eckigen“, erklärt die Mitarbeiterin aus der Eventabteilung meiner Teamleiterin. Es wird mit dem Möbellieferanten telefoniert und angefragt. Nach interner Absprache, dass sie keine 200 runden Tische für diesen Tag auf Lager haben, wird weiter recherchiert und es werden verschiedenen Alternativen gesucht, koste es, was es wolle. Wenn der Vorstand 200 runde Tische will, dann bekommt er 200 runde Tische. Wir finden welche bei einem schwedischen Möbelhaus. –Die werden gekauft. Wir brauchen extra Personal, das die 200 Tische innerhalb der Mittagspause aus dem Lager in die Messe fährt, dort aufbaut und nach den 2 Stunden Rede vom Vorstand wieder auf dem Müll entsorgt. 

Das Shuttle-Unternehmen das wir beauftragt haben, um die 2000 Besucher von Hotel zur Messe, und von Messe zum Hotel zu fahren, benötigt übermorgen die Schilder, die in den Bussen hängen sollen. Die hauseigene Grafikabteilung der Agentur entwirft Schilder, diese werden innerhalb von ein paar Stunden von einer Druckerei gedruckt, ein Kurier wird beauftragt und die Schilder werden dem Shuttle-Unternehmen geliefert. 

Eine Catering Firma vom Feinsten wird Essen servieren. Das muss genau abgestimmt sein und der Kunde und die Agentur werden zum Probeessen eingeladen. „Worst case“ wäre, wenn die Veranstaltung kurzfristig nicht stattfinden kann. Es werden also Spendenvarianten recherchiert, Flüchtlings- und Obdachlosenheime angefragt und ein Plan erstellt, wer im Notfall welches Essen bekommt. Natürlich alles immer nach Absprache mit dem Kunden. 

Parallel dazu würde der Vorstand gerne mehr „moderne Technik“ in das Event einbringen. Die Agentur organisiert einen Ipad-Künstler, 2000 Ipads, eine App wird programmiert und ein System ausgeklügelt, wie diese Ipads personalisiert werden, wann und wer die Ipads nach ein paar Stunden lädt und wie man mit den Besuchern umgeht, die so ein „modernes Ding“ noch nie in der Hand hatten. Wir werden dafür ca 100 Hostessen mehr benötigen. 

Parallel dazu haben Architekt, Bühnenbauer und Bauzeichner die Pläne der Halle fertig. Diese müssen noch mit der Messe abgesprochen werden. Wegen Brandschutz kann nur spezielles Material benutzt werden, die Notausgänge müssen freibleiben und auch sonst gibt es viele Bedingungen, warum auch die Bauzeichner immer wieder Wochenend- und Nachtschichten einbauen müssen. 

Die Bühnenbauer haben zur gleichen Zeit schon das Material für die 3 Meter hohen Cubes eingekauft, die in einer Halle am zweiten Tag für 3 Stunden aufgebaut werden sollen.

Messehalle2

Dem Vorstand gefällt das Design der 5×2 Meter großen Wand nicht, die den Besucher empfangen soll: der Farbverlauf soll nicht so weit nach unten gehen, und ist das überhaupt die richtige Farbe? Er hätte gerne noch eine andere Idee gesehen. Die Grafikabteilung macht eine Nachtschicht. 

Nebenbei wurde der Garderobenteil der Messe freigegeben und es kann geplant werden, wie 2000 Menschen gleichzeitig Koffer und Jacke abgeben können. Ein spezielles Regalsystem wird dafür angefertigt und 80 Hostessen eingestellt. 

Dem Kunde ist eingefallen, dass er seine Rede ändert und die 200 runden Tische die nun extra gekauft wurden, doch nicht gebraucht werden. Auch das Personal, das dafür geblockt wurde, wird nicht mehr benötigt. 

Die Teppich-Farbe von Halle 2 muss entschieden werden. Es müssen Reinigungsmaßnahmen besprochen werden und der Teppich wird auf Rotweinflecken überprüft. Gibt es den auch in der coperate color? Wahrscheinlich muss der extra produziert werden. Angebote werden eingeholt. 

Mittlerweile kommen 5000 bestellte Kugelschreiber und 300 Regenschirme in der Agentur an. 

Der Moderator für die Abendveranstaltung hat abgesagt, obwohl für den Kunden nur dieser Sprecher in Frage kam. Eine günstige, kurzfristige und gute Alternative wird es dazu nicht geben. Wenn der Kunde auf Grund dessen sein ganzes Abendprogramm ändern will, können Architekten, Bühnenbauer und sowieso alle nochmal von neuem anfangen. 

Es gibt ein Problem mit der App: Wahrscheinlich übersteigt das wirklich langsam das Budget. Vielleicht können wir die Cubes noch umgestalten, dass wir da noch etwas einsparen? Dann werden eben nur an jeder zweiten Wand Touchscreens eingebaut. 

Ein Teammitglied unseres Projektteams in der Agentur fällt krankheitsbedingt aus, wir werden jemand neues von Extern ins Boot holen müssen. 

Ab 10 Tage vor der Veranstaltung wird unser Produktionsbüro vor Ort verlegt: Wir schlafen im Hotel, haben Mietwagen und arbeiten von unserem extra eingerichteten Büro aus. Wir müssen da sein, wenn die Messebauer anfangen den Teppich zu verlegen, wir müssen überblicken ob die Bühne richtig aufgebaut wird und ob wirklich keiner aus dem Publikum eine Säule im Blickfeld hat. 

Das Catering braucht mehr Lagerraum als geplant, wahrscheinlich werden Container angemietet und neben die Messehalle gestellt. Im Abstand von 3 Metern darf dort aber nichts platziert und geparkt werden: irgendwelche Vorschriften. Das heißt, die Container passen doch nicht. 

Der Architekt und der Messebauer verlangen mehr Lohn, weil sie die Bühne auf Grund der kurzfristigen Änderung des Kunden neu konzipieren müssen. 

Die Firma, die für das Teilnehmermanagement engagiert wurde, bucht auf unser Okay die 1000 Flüge und Bahnfahrten schon mal im Voraus. 2000 Hotelzimmer wurden schon vor 3 Monaten gebucht, sonst wäre es längst ausgebucht gewesen bei den vielen Parallelveranstaltungen. 

Der Kunde will noch einen Commitment Act am Ende des Abendprogramms. Wir machen ein spontanes Teammeating: die Konzeptioner schlagen sich vor Gedanken fast die Köpfe ein, der Architekt schüttelt den Kopf, weil die Idee statisch unmöglich ist und der Messebauer zweifelt daran, ob es überhaupt noch möglich ist, das alles in der kurzen Zeit zu bauen. Ein freier Mitarbeiter wird noch zusätzlich ins Boot geholt. Seine Aufgabe ist es, jetzt schnell eine kreative Idee zum Commitment Act zu haben. Leuchtstäbe? Es werden Leuchtstäbe recherchiert und Kosten überschlagen. Der Kunde ist mit diesem Vorschlag nicht zufrieden. 

Der Möbellieferant hat übrigens Probleme, die geplante Holzgarnitur in 400-facher Ausführung zu liefern. Er bietet uns Alternativen, die jedoch nicht ins Konzept passen: wir brauchen Holz, weil das Thema ist doch Nachhaltigkeit! 

Die App funktioniert nicht. 

Der Kunde will einen Konferenzraum im Nobelhotel dazu buchen. Gibt es da einen Beamer? 

Was passiert eigentlich mit den 1000 Bahnfahrten, wenn die Bahn an diesem Tag streikt? 

Das Catering gibt uns die Information, dass die Speisen nicht gespendet werden können, da sonst die Kühlkette unterbrochen ist. 

Der Kunde hat sich endlich für ein Eingangsdesign entschieden und die Druckerei kann beauftragt werden. 

Wir sind jetzt schon eine Million über dem Budget. 

Der Bauzeichner ist verärgert, weil es sich nicht ernstgenommen fühlt. 

Der Kunde will jetzt doch die Leuchtstäbe… aber andere. Wir machen eine Eilbestellung aus China. 

Wieso berechnen die Hotels eigentlich verschiedene Steuersätze? 

Das persönliche Problem mit dem Bauzeichner muss geklärt werden. 

Ein neuer Möbellieferant nur für Holzbestuhlung wird beauftragt. 

30 Produktionsbücher für die Tage der Veranstaltung müssen geschrieben und produziert werden. 

Dem Kunden ist die eine Million hin oder her egal. 

Mein Fazit:
Mein Praktikum war wahnsinnig toll, spannend, anstrengend und sehr lehrreich. Keiner hat mit davor erklärt, wie man mit dem Kunden spricht, wie man Verträge schreibt und abrechnet. Ich habe gelernt, mit verschiedenen Vertretern verschiedener Sparten und Unternehmen an einem Tisch zu sitzen und sich nur auf der Arbeitsebene in den Haaren zu haben. Ich habe gelernt, jede Kleinigkeit in Auftrag zu geben, weil auch nur so unsere Marktwirtschaft funktioniert. Und ich habe gelernt, den Überblick zu behalten, obwohl man überall so tief drin steckt. Das Agenturleben ist wahnsinnig intensiv, das Team sehr persönlich und die Arbeit zeitraubend, nervenaufreibend und spannend. Man lebt (vor allem direkt vor der Produktion) für die Veranstaltung und das Projekt. Umso näher man auf den Höhepunkt hinarbeitet, desto weniger Schlaf braucht man, kein Leben daneben und man gibt 100%. Dann die Realisation von dem, was in deinem Kopf entstanden ist, geplant, ausdiskutiert und letzten Endes umgesetzt wurde. Die Besucher waren begeistert und der Kunde ist zufrieden. Das ist es, warum man sich den Stress einmal geben sollte.

Eine kleiner Verschnaufpause ist erlaubt, aber die Agentur hat schon den nächsten Auftrag: ein neuer Kunde, eine neue Idee, eine neue Herausforderung. 

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