Vegetarisch: ohne Fleisch, Vegan: ohne Fleisch, Ei und Milch – so eine verbreite (und falsche) Vermutung. Was wäre denn dann veganer Wein? Ist nicht jeder Wein vegan, bei dem man darauf verzichtet, etwas Hackfleisch hineinzustreuen?
Dass es so einfach eben nicht ist, wurde unseren Marketing-Studierenden in einem von Thomas Zorbach koordinierten Projekt schnell klar. Der entscheidende Punkt ist die Klärung des Weins, bei der häufig tierische Produkte eingesetzt werden. Der Besuch beim Weingut F.W.Langguth Erben in Traben-Trarbach klärte nicht nur diese Frage, sondern war auch der Startschuss für ein Projekt zum Thema Strategisches Marketing. Gleichzeitig ist das Thema Veganer Konsum und vegane Unternehmer auch ein neues Forschungsprojekt an der Karls. Doch warum überhaupt vegane Produkte?
Strategisch sprechen gleich drei Gründe dafür, dass Unternehmen sich mit veganen Produkten am Markt positionieren.
1. Vegane Produkte sind ein Trend-Thema. Wer einmal in der Weihnachtszeit durch die Buchhandlungen streift, kann die Fülle hochpreisiger veganer Kochbücher nicht übersehen, Köche wie Attila Hildmann inszenieren veganes Kochen als neuen Schlüssel zum Glück in allen Lebenslagen.
2. Vegane Produkte können Bestandteil einer Nachhaltigkeitsstrategie sein. Die Reduktion des Fleischkonsums zugunsten von pflanzlichen Produkten kann nicht nur helfen, die Ernährungsgrundlagen der Weltbevölkerung sicherzustellen, sondern auch den weltweiten Energiebedarf senken. Die Weinkellerei Langguth kombiniert daher für manche Ihrer Weine eine Vegan-Zertifizierung mit einer Bio-Zertifizierung.
3. Mit veganen Produkten erschließt man sich eine ganz neue Zielgruppe. Engagierte Veganer sind oft gut vernetzt – und sie entwickeln nicht nur große Loyalität zu Produkten, von denen sie überzeugt sind, sondern reden in ihren Netzwerken auch gerne über diese Produkte. Im Marketing-Sprech könnte man sie als “Consumer Tribe” bezeichnen, als eine Art ‘Stamm’ von Leuten, die gemeinsame Werte und ein ähnliches Konsumverhalten teilen.
Doch damit wird es auch gleich kompliziert. Consumer Tribes können zwar loyale Kunden werden, sie sind aber in der Regel immer anspruchsvolle Kunden – das gilt auf jeden Fall für Veganer. Gerade Altveganer sind eben nicht Veganer geworden, weil sie sich von einem gesellschaftlichen Trend begeistern lassen (wie die sogenannten Neuveganer) oder – wie Hildmann mit seiner “Triät” verspricht – “schlanker, gesünder und messbar jünger” werden wollen. Im Zentrum stehen hier zumeist felsenfeste ethische Überzeugungen zu Tierrechten. Altveganer sind schon seit langer Zeit Veganer und haben Zeiten miterlebt, in der es ungeheuer schwierig war, Informationen über die Inhaltsstoffe und die Produktionsweisen von vielen Produkten zu erhalten. Sie waren dazu gezwungen, sich gut zu informieren und viel miteinander auszutauschen. Dementsprechend kritisch sind sie heute immer noch: Wer sich nur das Label “vegan” aufklebt und nicht alle Produktionsprozesse durchleuchtet, wird schnell enttarnt und verliert seine Glaubwürdigkeit im “Tribe”.
Die Weinkellerei Langguth hat es daher richtig gemacht und den direkten Kontakt zu Ihren Konsumenten gesucht: Gemeinsam mit dem Vegetarierbund Deutschland, einem der wichtigsten Interessenverbände von Veganern, wurde ein Verfahren zur veganen Klärung entwickelt und entsprechend als vegan zertifiziert. Damit liefert Langguth nicht nur ein Beispiel für gute vegane Produkte, sondern auch für gutes Marketing – denn ein Schlüssel für gutes Marketing ist immer der Dialog mit dem Kunden.
Es wird spannend, ob Langguth nun auch langfristig mit ihrem Projekt Erfolg haben wird. Denn es bleibt die Frage, wie sich die Nachfrage zu diesem Produkt entwickelt: Meine persönliche (und empirisch nicht geprüfte) Erfahrung ist nämlich, dass viele Veganer darüber hinaus auch bekennende Anti-Alkoholiker sind.
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