New Media Culture : #Neknominate oder #Neknomination

Ein neues Mem geistert durch das Netz, vornehmliche Verbreitungsplattformen sind Facebook und Youtube. Es nennt sich “Neknominate” oder “Neknomination”

Der Begriff setzt sich zusammen aus “to neck” und “nomination”. Also eine neckische Nominierung – ein Aufruf etwas zu tun.

gremlins

Ursprünglicher Inhalt des Mems ist der persönlich adressierte Aufruf zur ununterbrochenen, vollständigen Entleerung (“auf Ex”) einer Flasche alkoholhaltigen Getränkes (meistens Bier) vor laufender Kamera. Zuvor wurde der Protagonist von jemanden aus dem eigenen Netzwerk nominiert (meistens werden drei Personen angegeben) und dazu aufgefordert das Trinkritual auszuführen. Der Nominierende selbst dient dabei gleichzeitig als Imitationsvorlage, denn er vollzieht vorab die gleiche Handlung. Das vereinfacht die Verbreitung des Mems (eingebettete Anleitung). Sollte der Nominierte die Aufgabe nicht innerhalb von 24 Stunden erfüllen, so wird ihm vom Nominierenden eine Strafe angedroht (meistens das Spendieren eines Kasten Biers oder ähnlichem). So entsteht ein entsprechendes Schneeballsystem, wie man es schon zu Zeiten des Kettenbriefes kennen dürften. Auch dort benutzte man die Mechanik der “Nominierung” und der Androhung von Strafe. “Es wird etwas Schlimmes geschehen, wenn du die Kette unterbrichst” etc. pp. Mutmaßlich stammt das Mem aus Australien. Die Identifizierung der memetischen Urquelle dürfte aber letztlich unidentifizierbar bleiben.

“Neknomination” hat mittlerweile längst den Tipping Point durch exponentielles Wachstum überschritten und wurde auch in den Mainstream-Medien als Trend erkannt und entsprechend manigfaltig international rezipiert. In der Ökonomie der Aufmerksamkeit natürlich in erster Linie mit reißerischen Aufhängern von vereinzelt im Kontext dieses Trends erfolgten Todesfällen oder im politisch-moralischen Kontext, wie zum Beispiel der Fall eines Bürgermeisterkandidats in München. Letzteres ist ganz besonders interessant, da gerade in der bayrischen Politkultur der Alkoholkonsum nicht nur kulturell eingebettet ist, sondern zum Teil sogar regelrecht eingefordert wird. Man erinnere sich an die mediale Diskussion rund um den Maßkruginhalt des damaligen bayrischen Ministerpräsidenten und Bundeskanzlerkandidaten Edmund Stoiber.

Wesentlich interessanter sind die mittlerweile entstandenden memetischen Mutationen. So werden “Neknominates” kurzerhand umgedeutet (Reframing), ignoriert oder gehackt und der Protagonist beteiligt sich zum Beispiel nicht am Trinken, sondern vollzieht eine Handlung zu einem guten, und für ihn sinnvolleren Zweck. Das Meme wird dabei dennoch per Nominierung weitergegeben, nur eben als gehackte Variante. So wie beispielsweise Brent Lindeque, der “Neknomination” gegen Armut in Afrika einsetzen will. Weitere memetische Mutationen sind in Bezug auf Art und Menge des Alkohols und der Rahmenhandlung erfolgt, manche verweigern sich auch passiv oder aktiv diesem Trend (Selektion).

Durch die unmittelbare Öffentlichkeit des Trinkspiels, mahnen kritische Stimmen vor einer Verherrlichung von Alkoholismus, gerade in Bezug auf minderjährige Internetbenutzer. Die Kombination aus Selbstdarstellung und Gruppendruck fördere den unreflektierten Umgang mit der Droge Alkohol und fordere förmlich zur Imitation von mißbräuchlichen Konsum auf.

Kulturell gesehen ist der spielerische Umgang mit Alkohol in Gruppen tatsächlich nichts neues. Das älteste, bekannte Ritual findet man bei den Griechen. Man nannte das Spiel “Kottabos”. Das war ein Zeitvertreib bei Trinkgelagen im 5. und 4. Jahrhundert v. Chr. Zahlreiche Vasenmotive (das Facebook der Antike) zeugen noch heute von der vermutlichen Beliebtheit dieses Trinkspiels.

Das neue an “Neknominate” ist also höchstens die Geschwindigkeit, die Varianz und die Quantität der Vebreitung. Die Mechanik beruht wie bereits erwähnt auf Imitation, Initiation, Inszenierung, soziale Kontrolle und kulturelle Rituale. Die kommunikative Infrastruktur Internet fungiert hier im wesentlichen nur als Katalysator und die etablierten Medienmarken feuern ihrerseits das Phänomen zusätzlich an und sorgen vor allem dafür, dass selbst Internet-Wenignutzer am Ende über dieses Trend erfahren.

1 comment Write a comment

  1. Pingback: Trinkspiele bei den Griechen

Leave a Reply