Studieren ist teuer, man hat wenig Zeit um nebenher zu arbeiten und wenn man sich die Zeit nimmt, dann kommt man häufig nur in Aushilfsjobs, die einen Hungerlohn zahlen. In Amerika geht es den Studenten nicht anders als hier, die akkumulierten Studienkredite sind dieses Jahr so groß wie das Bruttoinlandsprodukt Australiens. Gut, diesen Krediten steht ein Versprechen gegenüber, es durch gut bezahlte Jobs zurückzuzahlen, schließlich hat man ja studiert. Aber was ist, wenn dieser Plan nicht aufgeht, was wenn die Blase platzt? Ich kann mir gut vorstellen, dass sich viele Banken schon mit Kreditauswahlversicherungen, kurz CDS, eindecken und vorsorgen. Ach ja, da war doch was. So fing die Finanzkrise doch an.
Finanzblasen sind eine schöne Sache, sie bauen sich auf indem eine Wertschöpfung vorgegaukelt wird, die es nicht gibt. Zwar studieren all diese jungen Menschen und können sich durch den Kredit ihr Leben finanzieren, andere haben sich ein hübsches Haus gekauft und andere wiederum in Aktien investiert, die durch die Fracking-Technologie in den USA hohe Gewinne für ihre Altersvorsorge versprechen. Aber solche Blasen haben es faustig hinter den Ohren, wie wir seit gut 5 Jahren überall auf der Welt und vor allem in Südeuropa erfahren müssen. Denn irgendwann klopfen Menschen an die Tür und wollen sehen, wo sich der versprochene Wert versteckt, wo die in Aussicht gestellte Festanstellung mit 14tem Gehalt bleibt, wo das versprochene Luxus-Viertel, dass um das Haus herum entstehen sollte ist und wo bitteschön das Gas im Leitungswasser herkommt, ob das die Rendite an der Unternehmensbeteiligung ist?
Wir leben in einer Welt, die so schnelllebig geworden ist, dass man sich durch Marketing- und Kommunikationstechniken einen Vorsprung vor den Wettbewerbern schaffen muss, das Geld schnell einsammeln muss und unglaubliches versprechen muss. Renditen von 6% kennt doch schon jeder und schwarzes Gold zieht immer. Dass wir uns dadurch aber gegenseitig von Dingen abhängig machen, von denen wir nichts verstehen, die in keinem Zusammenhang stehen sollten und die einfach unnötig sind, das ist die große Kehrseite dieser neuen Welt. Zur Zeit stehe ich mit 35 000€ in der Miese, dazu kommt ein ausgenutzter Disporahmen von 1500€. Meine Eltern schütteln bei solchen Zahlen nur den Kopf, meinen, eine Last, die ich nicht hätte auf mich nehmen sollen. Aber heutzutage ist das anscheinend normal, gut 80% der amerikanischen Studenten stehen genauso da wie ich. Mit der Hoffnung auf eine gute Zukunft, aber der Angst, dass es vielleicht doch nichts wird. In Italien gab es letztes Jahr täglich hunderte von Insolvenzanmeldungen, Jobs für Absolventen sind dort so rar wie gute Politiker. Unbeeindruckt von den Fehlentwicklungen der letzten Jahrzehnte, dreht sich das Schuldenkarusell munter weiter.
Ich nutze gerne Amerika als Beispiel, denn bitte, ein besseres Beispiel für unsere fehlerhafte Wirtschaftsform gibt es ja wohl kaum. Und auch wenn ich diesen Text mit den Neuigkeiten zu Rolling Jubilee (ich berichtete) abschließen will, würde ich gerne ein etwas ausführlicheres Beispiel einbringen, um zu veranschaulichen, wie wenige Investoren das Risiko dieses Karusells auf die Allgemeinheit abwälzen. Der Fracking-Boom, über den ich mich in der Diskussion mit Herrn Prof. Thielmann (1, 2, 3, 4 und 5) auch unterhalten habe, ist im vollen Gange. Es wird der USA Versorgungssicherheit und viele Milliarden bringen, aber auch eine große Investitionsblase. Denn wir Menschen sind längst nicht die rational denkenden, kühl kalkulierenden Roboter, mit der Bezeichnung “Homo Oeconomicus“. Wir sind zu einer Mischform des Homo Oeconomicus und des komplett verwirrten Menschen geworden, der Informationen oft nicht richtig einordnen kann, keine Zeit hat, sie richtig zu verarbeiten, kritisch zu hinterfragen, auf der anderen Seite aber die Notwendigkeit des Geldes spürt. Eine Notwendigkeit, die dadurch gegeben ist, dass man sich selber und die Familie unterhalten muss, die aber auf ein jährlich neues Handy, Notebook, Auto, usw. ausgeweitet wurde. So wird kräftig in die Fracking-Technologie investiert, die ja so ein sicheres und ertragreiches Geschäft für die nächsten “100 Jahre” (Obama) verspricht, von denen sich diese Menschen eine tolle Rendite erhoffen. So langfristig ist das Ganze aber nicht, wie auch das Rolling Stone Magazin feststellt:
“Fracking, it turns out, is about producing cheap energy the same way the mortgage crisis was about helping realize the dreams of middle-class homeowners.”
Die Annahme, die Gas- und Erdölressourcen in den Gesteinsschichten unterhalb Amerikas würden für viele Jahrzehnte ausreichen, wird immer wieder durch Meldungen getrübt, die das Gegenteil vermelden. Das U.S. Energy Department senkte ihre Berechnung für die Ressourcen in der Marcellus Shale Area (Pennsylvania, Ohio, New York) um 70% und die Colorado School of Mines warnt zum Beispiel davor, dass die Ressourcen wohl nur für 23 Jahre reichen werden. Eine perfekte Gegensätzlichkeit, um durch Propaganda und falsche Versprechen Geld zu machen.
Die Realität sieht nämlich so aus, dass die Bohrlöcher sehr stark abnehmende Erträge erwirtschaften. Nichts da mit einmal in den Boden bohren und das Gas und Öl fließt für Jahrzehnte, so wie es gerne kommuniziert wird. Die hohe und konstante geförderte Mengen kann nur durch über 7000 neu-gebohrte Löcher pro Jahr aufrecht erhalten werden, die Kosten dafür werden auf 42 Milliarden Dollar geschätzt. Kapital was gerne als sichere Analge ausgeschrieben wird. Wall Street, Banken, Investoren und Privatpersonen schlagen zu und wollen teilhaben an dem Ausquestschen der letzten Ressourcen in ihrem Land. Gleichzeitig nimmt der Hype um Grundstücksrechte wieder so stark zu, wie es zuletzt zu Goldgräberzeiten war. Grundstückseigentümer werden mit Geld zugeschüttet, Grundstücke gehandelt, Preise explodieren. Kurzfristig wirft dieses Geschäft unglaublich viel Geld ab, CEOs und Manager bekommen ihre Bonuszahlungen, Investoren ihre Dividenden und Ausschüttungen, denn die ersten Jahre laufen prächtig. Dann aber merkt man, dass gar nicht so viel Gas und Öl da ist, wie vermutet wurde, ein neues Bohrloch muss entstehen. Gleichzeitig müssen Grundstücke gesichert werden bevor es die Konkurrenz tut und per Gesetz auch innerhalb von 5 Jahren genutzt werden. Das bedeutet, man kann keine alten Anlagen benutzen, denn diese laufen so lange weiter, bis ihre mickrige Wirtschaftlichkeit ganz den Geist aufgibt. Nein, neue Anlagen müssen her, neues Kapital, auf ein neues Jahr. Bonuszahlungen, Dividenden und Weihnachtsfeiern werden geplant, während die Bohrlöcher entstehen, die das Ganze für das folgende Jahr sichern muss. Ein Geschäftsmodell was nur funktioniert, solange Geld investiert wird, welches die laufenden Kosten, Bonuszahlungen und Dividenden deckt.
Irgendwann, da klopft dann aber einer an die Tür und fragt, wo denn eigentlich die Dividende für das fünfte Jahr bleibt. “Oh, die gibt es nicht, das Borhloch hat doch nicht so viel abgeworfen. Ihre Beteiligung ging an die vorrangig bediente Bank und ausstehende Gehaltsforderungen.” Das Geld ist weg und zusätzlich darf der Staat, also die Steuerzahler, für die Unternehmensverluste und Kreditausfälle einspringen, das Systemrisiko tragen. Alles was bleibt sind die hunderttausende Böhrlöcher, das vergiftete Leitungswasser und das fehlenden Jahrzehnt der Entwicklung und Investition in die Zukunft, in Erneuerbare Energien. Ein Preis den die USA wohl zahlen muss, um zu verstehen, dass wir mit diesen Praktiken, die immer abstruser werden und unsere Gesellschaft immer mehr an den Abgrund drängen, aufhören müssen. Wir brauchen eine nachhaltige Veränderung, die sich am besten dadurch erreichen lässt, dass wir Menschen wieder mehr Zeit haben uns zu informieren, diese Informationen zu verarbeiten und somit das Wissen erlangen, was die Folgen unserer Entscheidungen sind. Denn anscheinend haben ja viele noch nicht einmal verstanden, was ein Grillhähnchen für 4,5€ und die eigene Verantwortung miteinander zu tun haben. Nichts!
Im Dezember hatte ich über die Organisation “Rolling Jubilee”, eine Unterorganisation von Occupy Wall Street geschrieben. Im Zusammenhang mit dem, was ich gerade geschrieben habe, kann man deren Vorhaben nur loben. Mit Spendengeldern kaufen sie Schuldtitel auf und erlassen diese. Mittlerweile wurden schon 561 000$ eingesammelt, die ca. 11,23 Millionen $ an Schulden auflösen werden. Mit nur 5000$ wurden Anfang Februar nun in einer ersten Runde 100 000$ an Gesundheitsschulden (62% aller Privatinsolvenzen in den USA sollen durch diese entstehen) erlassen. Die 44 Verschuldeten bekommen nun ein Päckchen mit einem von der Organisation geschriebenes Buch zur Schuldenvermeidung und der frohen Nachricht, dass ihre Schulden getilgt wurden. Die Hoffnung besteht, dass diese Menschen nun neu anfangen können, sich nachhaltiger verhalten (auch wenn eine Verschuldung, oft nicht selbstverschuldet ist) und vielleicht auch Geld spenden, damit andere Menschen von ihrer Schuld befreit werden können.
Ich finde diese Bewegung genial, denn sie prangert den Gegensatz in unserer Gesellschaft an. Große Unternehmen und Investoren werden vom Staat gerettet, wenn sie sich verschulden, kleine Privatpersonen müssen hingegen haften. Lebensgrundlagen wie Nahrungsmittel, Unterkunft, Gesundheitspfelge und Bildung werden unbezahlbar (siehe Privatisierungsvorhaben für die öffentliche Wasserversorgung in der EU) und lassen viele Menschen in die Schuldenfalle schlittern. In Amerika werden die Schuldtitel von den Banken dann ein paar Jahre behalten, bis viel Zinsen eingesammelt wurden, und dann für wenig Geld an Inkassounternehmen und Headhunter, die teilweise gewalttätig vorgehen, verkauft. Rolling Jubilee will hier einschreiten und den Menschen eine Lebensgrundlage zurückgeben und für die Idee gewinnen, dass wir unser Wirtschaftssystem verändern müssen. Denn das müssen wir. Dringend.
Die Idee, solch eine Organisation auch in Europa einzuleiten, scheiterte bisher an der rechtlichen Beratung über die Sinnhaftigkeit eines solchen Vorhabens. Wer da Ideen und Informationen hat, kann sich gerne melden. Ansonsten wünsche ich mir, dass dieser Artikel einen kleinen Einblick in die Thematik gegeben hat, die mich aktuell beschäftigt.
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