Warum Krebs kein Trojaner ist – Reflektion zur Kampagne der deutschen Krebshilfe

“Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel.”

Paul Watzlawick

Frau Meike hat einen bewegenden digitalen Beschwerdebrief and die Werbeagentur Jung von Matt, ihrem Kunden “Die deutsche Krebshilfe” und dessen mediale Unterstützer verfasst. Frau Meike schreibt das auf ihrem eigenen Blog, in der sie unglaublich ergreifend und äußerst intim ebenfalls die letzten Tage ihres an Krebs erkrankten Vaters reflektiert. Menschen in ähnlichen Situationen werden in ihren eindringlichen Berichten über das Sterben ganz sicher Trost finden und das Gefühl haben: Ja, ich bin nicht allein und ja, es ist verdammt scheisse wenn ein geliebter Mensch diese Erkrankung hat und ich sehen, hören und riechen muss wie er langsam und qualvoll von uns geht. Menschen, die nicht vielleicht nicht direkt mit diesem Thema konfrontiert sind, werden sich vielleicht Gedanken um den eigenen Lebensstil machen oder sich generell überlegen, wie sie mit anderen Menschen in Zukunft umgehen, weil wir alle im Grunde bereits längst auf der großen Liste des schwarzen Mannes stehen. Die Zeit ist knapp, nutze sie mit deinen Lieben so lange sie “gesund” ist – könnte auch eine mögliche Botschaft ihrer Texte sein. Denke darüber nach, ob dein jetziges Leben, dein Job, dein Stress es wirklich wert ist so weiterzuführen, vor allem wenn du weisst, dass du morgen die Diagnose in den Händen halten könntest. Das Blog und vor allem ihre Autorin Frau Meike wäre im Grunde also prädestiniert als eine Botschafterin rund um das Thema Krebs zu agieren, bzw. sie ist es ja längst.

Also, es gibt Menschen wie Frau Meike, die in der Lage dazu sind eine Thematik auf eindrucksvolle Weise emotional zu vermitteln mit einer unglaublichen Glaubwürdigkeit, Eindringlichkeit und sicherlich auch Behutsamkeit und der deutschen Krebshilfe fällt nichts besseres ein als eine landesbekannte Haudrauf-Agentur wie Jung von Matt für ihre Kommunikation zu engagieren? Nein, ich werde Jung von Matt an der Stelle nicht für ihre Kampagnenidee bashen, dafür kenne ich ihre Haltung gut genug. Man mag diese Haltung nicht teilen, aber sie haben das getan, was sie immer tun. Sie gewinnen Aufmerksamkeit um jeden Preis und das tun sie in der Regel sehr erfolgreich. Nicht mehr und nicht weniger.

Die spannende Frage lautet doch eher: Sind Spezial-Agenturen wie Jung von Matt für jede Art von kommunikativer Aufgabenstellung wirklich geeignet? Botschafterkonzepte, Dialogansätze oder Denken über die Ansätze der klassischen Werbung hinaus, in dem ein Produkt im Vordergrund steht und mittels Trojaner in die breite Masse geschoben wird, dürfte man im Mindset dieser Agentur wohl kaum vorfinden. So sind sie nunmal und so werden sie auch weiter beauftragt – egal ob von der Bildzeitung oder von Sixt. Es funktioniert solange es funktioniert.

Hier ist nicht die Ethik von Werbemethoden das Problem, sondern die Frage, ob eine Organisation wie die deutsche Krebshilfe sich schlichtweg in der Wahl ihrer Möglichkeiten vergriffen hat. Krebs braucht keine brachiale Aufmerksamkeit mehr in Deutschland. Krebs ist bereits allgegenwärtig. Was die Menschen benötigen, sind andere Menschen, mit denen sie sich sinnvoll austauschen können. Ein Krebsnetzwerk, ein Ratgeber, ein Tagebuch wie von Frau Meike. Mensch-zu-Mensch Kommunikation und keine witzig gemeinten Fake-Kampagnen, die sich viral verbreiten und bei SternTV kontrovers diskutiert werden. Bei Krebs ist Kontroverse fehl am Platz, weil Krebs so unglaublich eindeutig ist. Krebs benötigt Hoffnung und Trost, Behutsamkeit und Achtsamkeit, Austausch und Interaktion. Krebs ist kein Haudrauf-Thema und sollte daher auch nicht mit Haudrauf-Methoden kommuniziert werden. Es ist nicht unethisch oder unanständig, es ist schlichtweg am Thema vorbei kommuniziert. Und das ist schade, denn das Netz bietet ja Beispiele wie das von Frau Meike, wie es anders, besser und sicherlich auch sinnhafter gehen könnte. Ehrlich. Direkt. Und trotzdem sehr emotional.

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