Wahrgenommene Persönlichkeitsmerkmale basierend auf dem ersten visuellen Eindruck von Personen der Investmentbranche
Die Gründe für bzw. gegen die Investition in Investmentfonds – wie z.B. Aktienfonds, Immobilienfonds oder Hedgefonds – sind vielfältig: die verfolgte Investmentstrategie, die bisherige und die erwartete Rendite, der Asset Manager, das Risikoprofil etc. Darüber hinaus existieren Einflussfaktoren aus dem Bereich des Behavioral Finance und des Constructivist Finance, deren Existenz zwar kaum einer bestreitet, deren Wirkung und Bedeutung in der Finanzbranche jedoch noch viel zu wenig wissenschaftlich untersucht wurden.
Dass unter anderem die getragene Armbanduhr auch bei institutionellen Anlegern einen Einfluss auf diese Entscheidungen hat, konnte kürzlich mithilfe von ethnographischer Feldforschung und Interviews mit institutionellen Investoren, Investment Consultants sowie Asset- und Sales Managern exemplarisch gezeigt werden: “Watch your watch“. Allgemeiner gesprochen gilt daher auch im Rahmen der Akquise bzw. des Erhalts von Assets-under-Management das meta-kommunikative Axiom von Paul Watzlawick, Psychotherapeut, Philosoph und Begründer des radikalen Konstruktivismus: „Man kann nicht nicht kommunizieren!“ (Watzlawick / Beavin / Jackson 2000). Somit zählt zu den interessanten, jedoch schwer zu fassenden entscheidungsbeeinflussenden Elementen insbesondere der erste visuelle Eindruck, den Personen aus der Investmentbranche wechselseitig voneinander haben.
Was sagt die Wissenschaft dazu?
Wie Studien u.a. von Alexander Todorov vom Department of Psychology der Princeton University empirisch belegen, ziehen Menschen automatisch und beständig aus Gesichtern Rückschlüsse auf die jeweilige Persönlichkeit (Todorov/Said/Engell/Oosterhof 2008). Und diese Charakterurteile werden in sehr kurzer Zeit gefällt: Probanden, denen Gesichter für 0,1 Sekunden gezeigt wurden, bildeten ein festes Urteil über den Charakter der gezeigten Person (Willis/Todorov 2006). Mit mehreren Experimenten konnte bereits belegt werden, dass beispielsweise Wahlausgänge relativ zuverlässig allein auf Basis der zugeschriebenen Kompetenz von Politikergesichtern prognostiziert werden können (Todorov/Mandisodza/Goren/Hall 2005). Die Teilnehmer der Experimente erhielten als einzige Information die Portraitfotos von verschiedenen, ihnen unbekannten Politikern vorgelegt und sollten daraus den Grad der Kompetenz des Politikers bestimmen.
Überraschenderweise konnte aus dieser – ausschließlich auf einem Foto basierenden – Kompetenzzuschreibung die beste Prognose für den späteren Wahlerfolg bestimmt werden: „Inferences of competence, based solely on the facial appearance of political candidates and with no prior knowledge about the person, predict the outcomes of elections for the U.S. Congress (Todorov/Mandisodza/Goren/Hall 2005). Auch in Europa wurden die Ergebnisse dieser Experimente bestätigt: Finnische Studien zur Beurteilung der Attraktivität von fast 2000 politischen Kandidaten konnten den Effekt von als attraktiv eingeschätzten Politikergesichtern auf deren Wahlerfolg sogar quantifizieren: “an increase in beauty of one standard deviation is associated with a 20% increase in the number of votes for the average non-incumbent candidate.” (Berggren/Jordahl/Poutvaara 2010).
Quelle: Todorov, Mandisodza, Goren, and Hall (2005) Inferences of Competence from Faces Predict Election Outcomes, Science, 308, 1623-26.
Experimentelle Wirtschaftsforschung an der Karlshochschule
Aufbauend auf mehreren, seit Herbst 2011 durchgeführten qualitativen Interviews sowie ethnographischen Feldstudien ist es nun Ziel dieser Experimente, anhand von Portraitfotos von Personen aus der Investmentbranche deren ersten visuellen Eindruck empirisch zu quantifizieren. Analog zu Experimenten mit Portraitfotos von CEOs (Rule/Ambady 2008) und Politikern (Berggren/Jordahl/Poutvaara 2010) werden nun Porträtfotos Investoren, Investment Consultants sowie Asset- und Sales Managern vorgelegt und deren erster, spontaner Eindruck abgefragt.
In Anlehnung an Oosterhof und Todorov (Oosterhof/Todorov 2008) werden dabei die Ausprägungen folgender Persönlichkeitsmerkmale erfasst:
Aus dieser empirischen Datengrundlage kann zum Beispiel ermittelt werden, ob diese Personen einen einheitlichen ersten Eindruck bei Kunden, Mitarbeitern oder Wettbewerbern hinterlassen und wenn ja, welchen. Weiterführend soll untersucht werden, ob aus diesem ersten Eindruck valide Aussagen zur wahrscheinlichen Funktion dieser unbekannten Person (Asset Management / Sales / Investment Consulting / Investor) gezogen werden können. Zudem kann überprüft werden, inwieweit die Einschätzung basierend auf dem ersten visuellen Eindruck mit der Selbst- und Fremdeinschätzung sowie historischer Performance korreliert.
Die ersten Ergebnisse der Experimente werden ab Herbst 2012 veröffentlicht, wobei die personenbezogenen Einzelbewertungen natürlich absolut vertraulich behandelt und nicht veröffentlicht werden!
Ausgewählte Literatur dieser Forschungsreihe
Ankenbrand, B. (2012) Watches and alpha males: 5 things selectors look for in a manager, Interview with Emily Blewett. unter: www.citywire.co.uk/global/watches-and-alpha-males-5-things-selectors-look-for-in-a-manager/a604633. [Stand: 17.Juli 2012].
Ankenbrand, B. (2011) Perceived Signs of Success – What are the signs whereby investors think they will recognize successful hedge fund managers? Präsentiert auf der UCITS Alternatives Conference, Zürich, 18./19.09.2011.
Berggren, N., Jordahl, H. und P. Poutvaara (2010) The looks of a winner: Beauty and electoral success, Journal of Public Economics, Vol.94, 8-15.
Oosterhof, N. und A. Todorov (2008) The functional basis of face evaluation, Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA, Vol.105, 11087-11092.
Rule, N. und N. Ambady (2008) The Face of Success – Inferences From Chief Executive Officers’ Appearance Predict Company Profits, Psychological Science, Vol.19, Nr.2, 109-111.
Todorov, A. Mandisodza, A., Goren, A. und C. Hall (2005) Inferences of Competence from Faces Predict Election Outcomes, Science, Vol.308, 1623-1626.
Todorov, A., Said, C., Engell, A., und N. Oosterhof (2008) Understanding evaluation of faces on social dimensions, Trends in Cognitive Sciences Vol.12, No.12, 455-460.
Todorov, A., Said, C. und S. Verosky (2011) Personality Impressions from Facial Appearance. In: A. Calder, J. V. Haxby, M. Johnson, & G. Rhodes (Eds.), Handbook of Face Perception. Oxford: Oxford University Press, 613-652.
Watzlawick, P., Beavin, J. und D. Jackson (2000) Menschliche Kommunikation: Formen, Störungen, Paradoxien, 10.Auflage, Bern: Verlag Hans Huber.
Willis, J. und A. Todorov (2006) First impressions: making up your mind after 100 ms exposure to a face. Psychol. Sci. Vol.17, 592–598.
Pingback: Videointerview: Der Einfluss des ersten Eindrucks in der Investmentbranche | Karlshochschule International University
Pingback: Wollen Anleger belogen werden? | Karlshochschule International University