Wenn das Leben Dir eine Zitrone gibt, mach Limonade draus
R. Becker
Beginnen möchte ich mit dem US-amerikanischen Wahlkampf. Die beiden großen Parteitage sind nun vorüber und dort ist mir eine hübsche Kleinigkeit besonders ins Auge gestochen. Die Huffington Post – ihre Nähe zu den Demokraten ist unbestreitbar, aber das ist auch etwas Schönes in den USA, die Medien bekennen wenigstens Farbe und kleben nicht so sehr an dem Glaube, die Medienwelt sei objektiv – jedenfalls, die Huffington Post veröffentlichte einen kleinen aber interessanten Beitrag zum republikanischen Parteitag. Dort haben Blogger der “HuffPost” gewisse Schlüsselbegriffe in den großen Reden gezählt und dokumentiert. Das ganze wurde dann in das “Convention Mention Meter” eingetragen und so konnte man am Ende – natürlich sehr subjektiv gefärbt – erkennen, wer sich wie über welche Themen geäußert hat. Eine Zahl fand ich dabei besonders bemerkenswert: Die Häufigkeit der Erwähnungen der beiden Präsidentschaftskandidaten. Auf seinem eigenen Parteitag wurde demnach Mitt Romney nur halb so oft von seinen Rednern und “Supportern” erwähnt wie sein Konkurrent Barack Obama. Schenkt man der Theorie Glauben, dass unser Unterbewusstsein Verneinungen (Negationen) nur schlecht versteht, also das berühmte Beispiel des rosa Elefanten- oder des Ironie-Effekts*, so könnte man daraus schließen, dass die Republikaner auf ihrer eigenen Werbeveranstaltung unbewusst aber kräftig Werbung für ihren Konkurrenten gemacht haben.
* Das Beispiel mit dem rosa Elefanten geht wie folgt: Es ist unmöglich nicht an einen rosa Elefanten zu denken, wenn sie sagen, Denken sie bitte NICHT an einen rosa Elefanten. Das Gehirn ignoriert die Verneinung “NICHT” und wir denken prompt an den rosa Elefanten. Somit wird ein unerwünschtes Thema, in dem wir es erst auf den Tisch bringen, egal wie wir dazu stehen, am Ende erst zu einem Thema. Wer sich damit wissenschaftlich auseinandersetzen möchte sollte sich die Logiker und Sprachwissenschaftler Gotthard Günther und Peter Strawson (danke an Marco Ladermann für den Hinweis auf Google Plus) und ihre Theorien mal genauer ansehen.
Ganz aktuell haben wir in Deutschland ja einen ähnlichen interessanten Fall von versuchter öffentlicher Negation und ihren Effekten. Dort versucht eine prominente Frau frühere Gerüchte über sich mit juristischer Intervention nicht nur richtigzustellen, sondern die Äußerung der Gerüchte für Zukunft und Vergangenheit zu verbieten bzw. zu unterbinden. Dazu wurden Blogger, Zeitungen, prominente Talkshowmoderatoren und die größte Suchmaschine der Welt entsprechend juristisch aufgefordert, einen Eid dahingehend abzulegen und entsprechende Einträge dauerhaft zu löschen. Daraus entstehen aus meiner Sicht mindestens drei interessante Aspekte:
1. In dem eine Person in der Öffentlichkeit Verdachtsäußerungen über sich selbst verbieten lässt, bringt diese Person den Verdacht erst wieder auf den Tisch. Das führt zu zwei Effekten: Zum Einen werden alle Menschen auf dieses Thema aufmerksam gemacht, die vielleicht davon noch gar nichts mitbekommen haben und gleichzeitig streut man erneut Zweifel bei den Leuten, die schon damals das Gerücht geglaubt haben. “So so, da will sich wohl jemand gewaltsam reinwaschen. Dann wird doch irgendwie vielleicht …”. Eine Rechtfertigung wirkt also immer nur so, wie sie der Empfänger interpretieren möchte. Am Ende wird aber das Thema, die reduzierte Verknüpfung “Name + Verdacht” an sich aber wiederum aktiv in Erinnerung rufen. Keine sonderlich gute Strategie, wenn man wirklich nicht will, dass eine Gesellschaft durch Wiederholungen eine Information in das kollektive Langzeitgedächtnis ablegen will (es sei denn, man will, dass man darüber jetzt wieder in der Öffentlichkeit spricht – zum Beispiel wenn man die einzig akzeptable Antwort auf die Frage eine Woche später in Buchform verkaufen möchte).
2. Einer Suchmaschine die Auto-Suggest/Complete Funktion verbieten zu wollen, kommt m.E. dem Akt eines breiten, gedankenpolizeilichen Eingriffes gleich. Suchmaschinen wie Google (andere, bei denen das genauso funktioniert wurden übrigens nicht verklagt) speisen ihre Informationen aus fremdformulierten Informationen. Sie bilden demnach nur das ab, was verstärkt von ihren Benutzern gesucht wird. Es ist natürlich ungünstig für Menschen, wenn sie in den Zusammenhang mit etwas Dubiosen geraten, obwohl sie gar nicht in diesem Zusammenhang stehen. Aber die spannende ethische Frage ist doch: Welches Gut ist höher zu gewichten? Die Gedanken- und Informationsfreiheit oder der Schutz der Reputation von Personen im öffentlichen Leben? Nun, Google hat diese Frage leider schon viel zu früh beantwortet, indem sie nämlich längst willkürlich bereits in diesen Mechanismus eingegriffen haben. Für gewisse Begriffe gibt es also schon eine Ausblendung von Meinungen und Gedanken und für andere eben nicht – so wie im aktuellen Fall. Damit hat Google die Grenze bereits überschritten und somit echte Präzedenzfälle geschaffen. Und damit beginnt eine langwierige, anstrengende Phase von Abwägungen. Blenden wir hier aus, weil Interessensgruppe A darauf drängt, während Interessensgruppe B das ganz anders sieht (wer ist wichtiger?) und überhaupt müsste man dann auch den Wünschen von Interessensgruppe C nachgeben? Und wer prüft das ganze intensiv auf Wahrheitsgehalt? Wer entscheidet das am Ende? Die Anwälte werden sich freuen, die Richter wohl weniger. Und auch wirtschaftlich bedeutet das für Google ein unüberschaubarer mehraufwand inklusive einem drohenden Vertrauensverlust durch die Kunden. Wieviel wird noch ausgeblendet? Wieviel Realität wird noch aktiv verbogen? Der Damm ist also längst gebrochen, zum Leidwesen der Informationsfreiheit, zum scheinbaren Nutzen der individuellen Interessen. Hier offenbart sich meines Erachtens eines der größten Dilemmas unserer digitalen Ära.
3. In diesem Zusammenhang erscheint plötzlich auch wieder der alte Mythos “Any PR is good PR – as long the name was correctly written”. Das stimmt natürlich nur bedingt. Daher fand ich das Eingangszitat so passend (welches mir der Autor Andreas Eschbach auf Google Plus zugespielt hat). Schlechte PR liefert mir erst einmal nur saure Zitronen. Sie liefert mir also immerhin irgendetwas, meist in Form von Aufmerksamkeit auf meine Person und ein damit verknüpftes Thema. Wenn man in der Lage ist aus diesen Zitronen Limonade zu erstellen, so kann man schlechte PR am Ende auch in etwas gewinnbringendes umwandeln. Die Kür der Wertschöpfung. Wenn man dazu jedoch nicht in der Lage ist, bleiben die Zitronen das was sie sind, saure Früchte im Überfluss, die irgendwann auch Magenschmerzen verursachen können. Würde also der Satz gelten “any PR is good PR” hätten sich viele Opfer der “Yellow Press” wohl nicht so unwohl gefühlt und wären am Ende schwer psychisch erkrankt. Diese Faustregel ist also als Allgemeinregel ein zynischer Mythos. Aufmerksamkeit allein erfüllt keine selbstgesteckten Ziele, erst die Fähigkeit diese Aufmerksamkeit zu kanalisieren oder zu transformieren führt zu einem PR-Erfolg. Wenn also am Ende alles darauf hinausläuft, dass im Zusammenhang mit dem aktuellen Fall des roten Wolfes, ein Buch millionenfach verkauft wird, in dem die Antwort auf die eine große, erneut aufgeworfene Frage steht, dann dürfte sich der Urheber auch am Ende als erfolgreicher Limonadenhersteller bezeichnen.
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