Spielen erzeugt eine eigene Wirklichkeit: die der Möglichkeiten.
Natias Neutert: 1971
Handle stets so, dass die Anzahl der Wahlmöglichkeiten größer wird!
Heinz von Foerster – Ethischer Imperativ
Wenn es ein “Buzzword” gibt, das die letzten Jahre immer wieder in bestimmten Zusammenhängen auftauchte, dann war es sicherlich “Gamification”. Doch wie bei etlichen anderen Buzzwords auch gilt: Oftmals steckt im Kern auch etwas Substanzielles. So glaube ich, dass auch in “Gamification” jede Menge Potenzial steckt um das eine oder andere Thema voran zu bringen, so auch die Didaktik an Hochschulen und speziell an unserer Karlshochschule, die von der konstruktivistischen Ausrichtung her idealen Nährboden für Lern- und Lehrspiele zur Verfügung stellt.
Ich bin mir sicher, dass einige noch nicht wissen was sich hinter dem Begriff “Gamification” verbirgt, dem versuche ich das in wenigen Worte zu erklären: Mit “Gamification” beschreibt man in der Regel die Verwebung von spielerischen Komponenten in einen sonst eher drögen Prozess. Typische Komponenten werden zum Beispiel in dieser schicken Infografik dargestellt. Für Didaktik bedeutet das, man versucht Anreize und Beteiligungsstrukturen zu schaffen, die Schüler und Studenten “aktiviert”, sie also überhaupt für Wissen aufnahmefähig macht. Reine Vermittlung von Faktenwissen ohne spielerische Komponenten (die einfachste Spielvariante ist beispielsweise das Quiz) gestaltet sich als äußerst zäh und mühsam. Zum Teil sind das memetischen Überbleibsel aus der industriellen Schulzeit, bei denen Schüler möglichst still sitzen und zuhören mussten, während der Lehrer den Schülern – aus seiner Sicht – die Welt erklärte. Ungewollte Interaktion durch die Schüler wurde damals mit dem Rohrstock bestraft, gewollte Interaktion wurde durch die Tafelabfrage bestraft, indem man bei falschen Antworten wieder den Rohrstock zum Einsatz brachte. Leider hat diese traurige Schulepoche zum Teil bis heute dazu geführt, dass Schule gedanklich mit Anstrengung und Ärgernis verknüpft wird – ganz zum Leidwesen aller Akteure.
Ich fürchte, es gibt auch noch einige bewusste oder unbewusste Verfechter der alten Schule – also nicht der Rohrstockzeit – die immer noch der Ansicht sind, dass Wissenserwerb reine Leistung und Anstrengung voraussetzt, dass es ernst zugehen muss und die Schüler mit reiner Disziplin ans Ziel kommen. Diese Verspieltheit ist ja nur ein Ergebnis der infantilisierten Gesellschaft und all die Computerspiele und anderen unterhaltsamen Spielarten machen die jungen Menschen zusätzlich so dumm, undiszipliniert und weniger aufnahmefähig, so dass sie gar nicht mehr anders Wissen aufnehmen können. Das sollte man so wohl nicht noch zusätzlich befeuern.
Das ist aus meiner Sicht zwar eine nachvollziehbare Sichtweise, wenn man das eigene Wertesystem und die bisherige Weltsicht erhalten möchte, aber ich habe für mich ganz andere Ansichten entwickelt. Ich denke Computerspiele sind deshalb so populär, weil gerade die darin enthaltenen Spielmechanismen Menschen so unglaublich ansprechen. Es geht bei diesen Spielen in erster Linie immer um “Macht”, im Sinne von “Gestaltungsfreiheit” – abgesehen ob konstruktiv oder destruktiv eingesetzt (also bei Aufbauspielen oder bei Ego-Shootern). Was war also zuerst da? Der Spieltrieb oder diese Spiele, die angeblich den Spieltrieb verstärken? Aus der Historie der Pädagogik können wir gut erkennen, dass “Gamification” in der Bildung und vor allem in der Schule spätestens mit Maria Montessori Einzug genommen hat – also lange vor jedweden elektronischen Medien und lange vor der Popularität von Spielen in der heutigen Form. Sie hat den Kern der Gestaltungsfreiheit erkannt und mit der goldenen Regel „Hilf mir, es selbst zu tun“ übersetzt.
Blicken wir also auf den eigentlichen Kern von spielerischer Wissensvermittlung, so gelangen wir schnell an den Punkt, das Spiel als geschützten Raum zu begreifen, in dem man ausprobieren kann, eine Simulation also, bei der die Wissbegierigen (müssen ja nicht nur Schüler sein, auch Erwachsene spielen sehr gerne) ohne Angst vor Fehlern oder schwerwiegenden Konsequenzen sich ausprobieren können. Das “Learning by Doing” und vor allem das “Try & Error” Prinzip in der Realität wird zunächst durch “Learning by Playing” ersetzt und nimmt den Lernenden den Druck, ohne dabei das involvierende Gefühl zu verlieren. “Simulation”, also das Ahmen im Spiel, ist eine wunderbare menschliche Eigenschaft, die wir leider all zu oft vernachlässigen und viel zu wenig anwenden.
Ich bin daher sehr froh, dass unsere Karlshochschule den Lehrenden nicht nur interaktive didaktische Experimente erlaubt, sondern sie regelrecht dazu auffordert. Hier mal ein Beispiel eines solchen Experimentes, was zwar nicht bei uns entwickelt wurde, aber von uns getestet und durchgeführt wurde. Das “Management Game: Emerald Forest“:
Für das Wintersemester 2012 arbeite ich gerade an einem didaktischen Konzept, dass unseren Studierenden das Thema “E-Business” vermitteln soll. Ich würde mich über jeglichen Rat & Tat sehr freuen, denn ich bin ein großer Freund von Open Source und habe am Ende auch nichts dagegen, wenn dieses Konzept auch an anderen Universitäten und Hochschulen zum Einsatz käme. Sehr gerne würde ich vor allem auch echte Unternehmen und Unternehmer/innen in dieses Konzept mit einbeziehen.
Links zum Thema:
Intelligent Gamification Blogprojekt von Markus Breuer
Gamification.org – Größte, weltweite Plattform zu dem Thema
Forbes-Artikel zu Gamification in Education
This Game Sucks”: How to Improve the Gamification of Education
TED Talk “World Peace Game” von Jon Hunter
TED Talk mit Gamification Guru Jane McGonigal
TED Talk Salman Khaan – Let’s use Video to reinvent education
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