Der Arbeitsplatz von morgen: Eine Frage der eigenen Moral und Kultur?!

Prof. Dr. Thomas Pleil lehrt Public Relations an der Hochschule in Darmstadt und bildet somit zukünftige Pressesprecher und PR-Mitarbeiter aus. Er stellt heute in seinem lehrbegleitenden Blog “Das Textdepot” sehr wichtige Fragen rund um den Berufseinstieg, allesamt moralischer Art, die mich dazu inspiriert haben mal ein Blick auf unsere Hochschule zu werfen:

Die Karlshochschule bildet ja sozusagen die Manager von morgen aus. Ein Teil der Absolventen wird ein eigenes Unternehmen starten und leiten, ein anderer Teil wird in mittleren Führungspositionen von vorhandenen Unternehmen, Konzernen, NGOs etc. agieren und immer steht hinter dem jeweiligen System (Unternehmen, Orga etc.) auch eine Strategie – egal ob schriftlich deutlich manifestiert oder einfach nur gelebt. In dieser Strategie wird nicht nur festgelegt, mit welchen konkreten Maßnahmen (Marketing etc.) das jeweilige Unternehmen das eigene Interesse erreichen will, es wird darin auch festgelegt in welcher unmittelbaren Kultur des Mit- und Füreinanders das stattfindet. Wie geht man mit den Mitarbeitern um? Welcher Führungsstil wird gelebt? Wie aggressiv verhält man sich gegenüber Lieferanten und der Konkurrenz? An welchen Stellen werden Kosten eingespart, an welchen Stellen nicht? Ist man offen oder geschlossen?

Das Internet bietet uns im Hinblick auf die schnelle Erfassung von Unternehmenskulturen einen enormen Recherche-Vorteil, so können Absolventen beispielsweise mit einer Google Suche sehr schnell herausfinden, wie ein Unternehmen oder Konzern – unabhängig von geprägten Imagefilmen und Werbespots – nach außen hin kulturell agiert. Die schillernde, glatte Oberfläche der gestrigen Werbe- und PR-Welt erfährt durch das Internet erkennbare Risse, die eine Teiltransparenz dauerhaft ermöglichen. So erfahren wir sehr schnell, dass bei Coca Cola nicht unbedingt immer alle Menschen auf der Welt “happy” sind oder dass für die Produktion von tollen glänzenden Apple-Produkte Fangnetze vor den Produktionshallen der Zulieferer installiert wurden, um die Selbstmordrate der überlasteten, unterbezahlten Fabrikarbeiter einzudämmen.

Fast jedes Unternehmen in einer gewissen globalen Größenordnung, egal wie attraktiv die Marke dann glitzert, lässt den Preis für die eigene Positionierung am Markt von jemand anderem, schwächeren bezahlen. Und auch der Konsument trägt natürlich die Verantwortung mit, ja ich behaupte sogar zum größten Teil. Solange der Käufer die Kultur durch Konsum akzeptiert, solange wird sich nicht viel an den Bedingungen ändern. Mit schlechter PR kann ein Unternehmen umgehen, mit ausbleibenden Käufern nicht. Man könnte also die Insolvenz von Schlecker, neben strategischer Fehlausrichtung in punkto Expansion, also auch mal ganz anders deuten. Schlecker hat in den letzten Jahren 6 Millionen von Kunden verloren, vielleicht weil gerade die glatte Oberfläche des anständigen Kaufmannsladens, mit dem Herr Schlecker einst gestartet ist, so stark abgeblättert ist. Vielleicht haben viele Kunden tatsächlich daraus die Konsequenz gezogen und sind beispielsweise zu “dm” gewechselt, die eine völlig konträre Kultur nach außen und innen kommunizieren – ich behaupte übrigens nicht, dass dort alles nach Rosen duftet.

Jedenfalls greift die Ausrede “Oh. Das habe ich nicht gewusst” leider nicht mehr. Zwar verschwinden auch heute die Schlagzeilen von miesen Produktionsbedingungen und Ausbeutung von Ressourcen relativ schnell aus den Schlagzeilen der großen Top-Medien. Aber im großen Substrat Internet werden sie eben auch dauerhaft und gut auffindbar wieder abgespeichert und somit schnell wieder sichtbar, sobald man sich etwas umfassender mit einem Unternehmen oder einer Marke beschäftigt. Ich glaube und hoffe auch, dass der LOHAS Trend weiter anhält, so wie ich es hier beim Blick in die Glaskugel prognostiziere.

Und natürlich, Corporate Social Responsibility ist ein extrem komplexes Unterfangen, das verdeutlichte uns Herr Prof. Dr. Leisinger mit seinem Vortrag bei unseren Karlsgesprächen sehr anschaulich Es gibt eben kein klares Schwarz und Weiß und dennoch muss jeder für sich selbst entscheiden für welche Sache, für welche Motivation man seine eigene Leistung zur Verfügung stellt. Aber das wesentliche ist wohl die eigene Fähigkeit zur Reflektion. Wir möchten ja an dieser Hochschule einige Regelbrecher ausbilden, also Menschen, die gewillt sind die Welt jeden Tag ein wenig zu verändern, in dem sie beispielsweise in den Unternehmen, in denen sie später arbeiten – wenn notwendig – kleine Veränderungen herbeiführen können. Das gilt natürlich auch für den Bereich “Corporate Social Responsibility”. Mir persönlich wäre es jedenfalls lieber, ich habe 1 RegelbrecherIn im Konzern, die ihn maßgeblich neu prägen, als 10o unreflektierte Mitläufer, die das alte System unhinterfragt am Laufen halten, nur weil sie der Ansicht sind ein gesichertes Einkommen zu haben – was ja mittlerweile sowieso ein Trugschluss ist. Früher hat man sich glaube ich ein Unternehmen ausgesucht, um möglichst lang dort sein Aus- und Einkommen zu haben. Heute sucht man sich wohl eher ein Unternehmen aus, das man maßgeblich mitgestalten kann und der eigenen Philosophie entspricht.

Doch um Regelbrecher zu sein bedarf es einer starken Persönlichkeit. Man muss lernen die Dinge aus ganz vielen verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Man muss lernen Brücken zu bauen und zwischen den Fronten zu vermitteln. Man muss lernen sich selbst und die eigenen Taten und das eigene Denken zu hinterfragen. Man muss lernen auch mal “nein” zu sagen oder für etwas vehement zu kämpfen und klare Stellung zu beziehen. Man muss lernen anderen zuzuhören und ihre Interessen zu verstehen. Oder um es abzukürzen: Man muss sich und seine Persönlichkeit bilden und die Bildung an sich als hohes Gut bewahren und verteidigen. Brenzlig wird es in Unternehmen immer dann wenn Mitarbeiter offensichtliche Dummheiten des Chefs abnicken aus Angst die eigene Position zu verlieren.

Oder wie Peter Bieri weitaus geschickter formuliert hat:

Der Gebildete ist an seinen heftigen Reaktionen auf alles zu erkennen, was Bildung verhindert. Die Reaktionen sind heftig, denn es geht um alles: um Orientierung, Aufklärung und Selbsterkenntnis, um Phantasie, Selbstbestimmung und moralische Sensibilität, um Kunst und Glück. Gegenüber absichtlich errichteten Hindernissen und zynischer Vernachlässigung kann es keine Nachsicht geben und keine Gelassenheit. Boulevardblätter, die aus purer Profitgier alles zerstören, wovon ich gesprochen habe, können nur den heftigsten Ekel hervorrufen. Überhaupt ist der Gebildete einer, der vor bestimmten Dingen Ekel empfindet: vor der Verlogenheit von Werbung und Wahlkampf; vor Phrasen, Klischees und allen Formen der Unaufrichtigkeit; vor den Euphemismen und der zynischen Informationspolitik des Militärs; vor allen Formen der Wichtigtuerei und des Mitläufertums, wie man sie auch in den Zeitungen des Bürgertums findet, die sich für den Ort der Bildung halten. Der Gebildete sieht jede Kleinigkeit als Beispiel für ein grosses Übel, und seine Heftigkeit steigert sich bei jedem Versuch der Verharmlosung. Denn wie gesagt: Es geht um alles.

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