Über Tom Schäpper bin ich auf ein interessantes Interview mit dem Verhaltensökonom Dan Ariely gestoßen, der aufgrund seiner eigenen Leidensgeschichte mit einem Verbrennungsunfall miterlebt hat, wie Placebos ihre Wirkung selbst bei schmerzanfälligen Verbrennungsopfern entfalten können:
Wissen Sie, es ist eine Sache, über Placebos zu lesen. Aber es ist etwas völlig anderes, einen Menschen vor Verbrennungsschmerzen schreien zu hören und zu sehen, wie er nach einer Placebospritze friedlich einschläft. Das ist eine wahnsinnige Erfahrung.
Nach dieser erleuchtenden Erfahrung widmete sich Dan Ariely fortan der Forschung rund um den Placebo-Effekt. Er führte einen Versuch durch, die mir bereits aus der Marktforschung z.B. mit Weinen nicht ganz unbekannt ist. Er gab zwei Gruppen von Patienten vor, einmal ein sehr teures und einmal ein sehr billiges neues Schmerzmittel zu testen. Beides mal wirkten die Medikamente sehr gut und natürlich verlief es so, wie schon bei den Tests zu teuren und billigen Weinen. Das teuerste Medikament schnitt auch am Besten in der Wirkung ab. Der Clou an der Sache: Beide Gruppen haben lediglich ein Placebo in Form von Vitamin C eingenommen.
Nun war ja die Botschaft meiner Überschrift, die Frage nach gutem Marketing. Schaut man sich diesen und ähnliche Versuchsanordnungen an, so kann man einige sehr wichtige Schlussfolgerungen daraus ziehen:
1. Je teurer ein Produkt, desto wertvoller scheint es in Wahrnehmung und Wirkung zu werden.
2. Je teurer ein Produkt, desto wertvoller muss auch dessen Inszenierung sein.
Ariely beschreibt das anhand des Beipackzettels, eine Anleitung zum Gebrauch des Medikaments:
Haben Sie schon einmal belgische Schokolade gekauft? Es liegt eine Anweisung dabei, wie man die Schokolade zu essen hat. Kauen Sie langsam. Genießen Sie den Geschmack. Achten Sie auf den Moment, in dem die Schokolade in Ihrem Mund schmilzt. So wird der Körper vorbereitet. So werden Erwartung und Konzentration erzeugt das macht die Schokolade so lecker. Ich finde, in der Medizin könnten wir eine Menge von all dem gut gebrauchen. Was haben wir stattdessen? Schlucken Sie die Pille mit reichlich Wasser!
Gleiches können wir wunderbar bei der Marke Apple beobachten. Allein die Verpackung und die Zelebrierung des Unpackings sind zu einem Ritual geworden, dass Fans – und das muss man sich mal bewusst machen – es per Kamera aufzeichnen und ins Internet stellen. Mittlerweile natürlich nicht nur bei Apple Produkten und so ist das “unboxing” mittlerweile in den allgemeinen Sprachgebrauch der Netzkultur übergegangen und es zeigt noch einmal sehr deutlich wie wichtig das Ritual rund um die Verpackung ist. Aber auch die Inszenierung von Verknappung, die berühmte Warteschlange vor dem Store bei Produktlaunch, durch vorausgegangene Teaserkommunikation, sind gute Beispiele, wie man bei Menschen Erwartung und Konzentration auf ein Produkt vorbereiten kann.
Wie inszeniert man also Wertigkeit?
Nun, ich würde sagen das setzt sich aus einer Vielzahl von verschiedenen Faktoren zusammen, einerseits ist das Verpackungsdesign elementar. Es muss sich stark von anderen Verpackungen differenzieren, vor allem von billigen Produktverpackungen. Vielleicht bringt man neben der wichtigen haptischen Beschaffenheit auch olfaktorische Elemente ins Spiel, so wie bei Autos der typische Neuwagengeruch, der ja mittlerweile absichtlich künstlich erzeugt wird. Dann ist sicherlich auch der Vertriebskanal nicht ganz unwichtig, also das “Placement”. Wo finde ich die Ware? In einem Discounter, also dem klassischen Kontext für billige Ramschware, oder in ausgewählten Geschäften oder gar nur per persönlichem Direktvertrieb?
Und auch die “Promotion” sollte sich an der Wertigkeit orientieren, also keine marktschreierischen Komponenten, keine Preiskommunikation, sondern reiner Aufbau von Begehrlichkeit, aber immer auf dem schmalen Grad die Erwartung nicht höher zu schrauben, als das Produkt und die Verpackung am Ende hergibt. Und es darf mitunter sogar richtig geklotzt werden, nicht umsonst rangiert das Parfum “1 Million” im Goldbarrenflakon ganz oben auf der Rangliste der Parfumerien.
Warum wirbt man dennoch zum Teil so billig?
In einer Zeit in der die Konkurrenz groß ist, in der sich Produkte zu sehr ähneln und auf billig getrimmt sind werden einstige Luxusgüter wie Elektrogeräte plötzlich zu Fast-Moving Consumer-Goods. Das kann man mal mitnehmen, ohne viel falsch zu machen. Die Erwartung an das Produkt ist relativ niedrig und daher erzielt man in diesem Zusammenhang auch keine klassischen Markeneffekte, wie Bindung an die Marke, hoher Weiterempfehlungsgrad oder gar eine Beziehung zur Marke. Das muss man sich einfach bewusst machen, wenn man sich in der Position befindet, Marketing zu gestalten. Der banale marktschreierische Weg scheint immer die einfachste Variante zu sein, denn sie belohnt einen natürlich sehr schnell. In einer Welt voller Marktschreier ist es jedoch nur eine Frage der Zeit, bis sich das Blatt wendet und ein entsprechender Gegentrend eintrifft. Und am Ende wird auch die Frage nach einem ethischen Konsum immer häufiger – auch öffentlich – gestellt.
Fazit:
Gutes Marketing konzentriert sich immer auf die ganzheitliche Inszenierung von Marken und Produkten. Was nichts kostet ist nichts wert, was viel kostet muss durchgehend glaubwürdig wertig inszeniert werden. Das beginnt beim Produkt selbst und dessen Hersetllungsgeschichte und endet beim Auspack- und Benutzungserlebnis. Eine volle Entfaltung des Produktes entsteht am besten, wenn der Benutzer hinreichend auf dessen Benutzung vorbereitet wird.
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