Mit diesem Beitrag nehme ich an der Blogparade des Kulturmanagement Networks und der stART-Conference 2010 teil:
Gefesselte Hände können keinen Beifall klatschen.
Stanislaw Jerzy Lec
Der Applaus bleibt sicherlich eine der wichtigsten Währungen im Kulturbereich. Er ist für Bühnenkünstler gar nicht wegzudenken. All der Schweiß und all das Blut durch Aufregung und Anstrengung sind vergessen, sobald sich der Künstler am Applaus laben kann. Überhaupt scheint es so als arbeiten viele Künstler auf diesen einen Moment, also der Zeitpunkt bei dem plötzlich alles abfällt und man direktes, unmittel- und hoffentlich meist wahrnehmbares Feedback des Publikums erhält, zu. Aufmerksamkeit, Ruhm und anerkennendes Feedback ist nicht erst seit Georg Francks “Ökonomie der Aufmerksamkeit” ein wichtiges Zahlungsmittel. Applaus ist die Symbolisierung von direkter und persönliche Bestätigung einer Leistung und gleichzeitig Ausdruck von Begeisterung. Würde dieser Moment wegfallen, so wäre das Theater, die Musikveranstaltung oder sonstige Kulturperformance sicherlich am Ende. Geld allein kann diese Emotion, die während eines solchen Feedbackvorgangs entsteht keinesfalls auch nur annähernd ersetzen – höchstens ergänzen.
Diesen Gedankengang zu “Applaus” sollte man eigentlich immer im Hinterkopf behalten, wenn man Internet-Geschäftsmodelle für Kulturbetriebe und -schaffende entwickeln möchte. Wenn man also beispielsweise abfällig über die Kostenloskultur im Internet wettert, so sollte man auch da an den Grundgedanken des Applauses denken, denn aus irgendeinem Grund fühlen sich ja viele “Produzenten” motiviert ihre Inhalte mit anderen Menschen zu teilen, wie gesagt, das ergibt plötzlich Sinn, wenn wir auch in der Aufmerksamkeit, dem Feedback und der Anerkennung von anderen Menschen einen Wert sehen. Nichtsdestotrotz steht gerade der Kulturbereich vor der großen Aufgabe auch monetäre Formen des Applauses zu entwickeln. Auch da bietet die Distributions- und Kommunikationsplattform “Internet” einige spannende Ansatzpunkte. Die Frage lautet also: Wie kann man Applaus digitalisieren und am Besten gleich noch mit den Eintrittsgeldern oder den Verkauf von “Kulturware” verknüpfen?
Nun das derzeit führende Social Network Facebook lebt es in Teilen vor. Mit der Einführung eines “I Like/Ich mag” Buttons – nun auch auf Webseiten, die nicht unmittelbar zum Netzwerk gehören – will man den Nutzern ein nützliches Feedbackinstrument in die Hand geben. Den größten Nutzen verspricht sich sicherlich Facebook selbst, denn mit diesen Daten möchte man bestehende und potenzielle Werbekunden imponieren. Mit der Einführung des “I like” Buttons stirbt aber leider auch der “Become a Fan” Button, mit der Begründung, dass die Wortwahl “Fan werden” und “etwas mögen” ganz unterschiedliche Handlungsbarrieren aufweisen, sprich ein Mensch wird eher dazu geneigt sein etwas “gut” oder “nett” zu finden, ohne dass er sich gleich als Fan(atiker) in dieser Angelegenheit outet. Es ist schließlich ein Unterschied ob ich einen Song von beispielsweise Tokio Hotel mitsumme oder ob ich gleich ein Fan von Tokio Hotel bin und ihnen auf ihren Touren hinterherreise. Facebook macht diese Bekenntnisse, diesen virtuellen Kurzapplaus für jeden sichtbar und spricht damit einen sehr cleveren menschlichen Drang an. Sobald nämlich mal eine kritische Masse etwas “gut” oder “schlecht” findet, schwingt sich der Rest darauf ein. Je mehr es werde, desto mehr werden es. Aus einer kleiner Fangemeinde entsteht durch Mundpropaganda plötzlich ein Mainstream. Der “I like” Button dient somit auch immer als Signal für die Horde, die Cliquen und Communities dem nachzueifern oder fernzubleiben.
Dennoch geht bei der Abschaffung des Fan-Buttons etwas ganz wichtiges verloren: Das Signal für echtes Involvement, für Begeisterung, also für hohes Mundpropagandapotenzial. Fans sind für mich etwas anderes als Symphathisanten, Symphathisanten etwas anderes als lapidare “Gutfinder” – oder wie die Kunstfigur Bernd Stromberg es einmal so schön attestierte: “Nett” ist die kleine Schwester von “scheisse”. Ein Fan ist viel eher bereit sehr viel für sein Objekt der Begierde zu investieren, von seiner Aufmerksamkeit über seine Zeit bis hin zu seinem Geld, als die Mitläufer und “Gutfinder”. Ohne echte Fans, Bewunderer, Gönner, Mäzen oder begeisterte Sponsoren kann eben auch der Kulturbereich nicht existieren, schon gar nicht in seiner unabhängigen Vielfalt und Freiheit, die er immer für sich bewahren und beanspruchen will.
Wie müsste man also das Grundprinzip des “I like”-Buttons für den Kulturbereich verändern, so dass er dort Früchte trägt. Ich versuche das in den folgenden Punkten zu skizzieren:
1. Wie nach jeder Vorstellung habe ich die Möglichkeit Applaus zu spenden. In einigen Ausnahmefällen kann vielleicht sogar gebuht werden. Beides ist für mich jedenfalls Ausdruck einer hohen Involvierung der Beteiligten. Das aktive Publikum richtet in diesem Moment all ihre Aufmerksamkeit, Zeit und Energie auf den Künstler. Selbst jemand der buht, wurde vom Künstler bewegt. Daher sollte man auf keinen Fall den negativen Feedbackkanal weglassen. Provozierende Künstler sehen ihre Aufgabe ja in erster Linie darin, mehr “Buh!” als “Yeah!” zu generieren. Involvement ist in erster Linie von Leidenschaft geprägt und man kann eben auch leidenschaftlich gegen etwas protestieren. Beides hat den Effekt dass man dem Zeit und Aufmerksamkeit widmen.
2. Der Applaus muss im Web zunächst digital sichtbar gemacht werden. Dies geschieht in Form eines Applaus-Buttons. (Und natürlich wäre es ideal, wenn dieser Button einheitlich verwendet werden würde)
3. Im Web gibt es im Gegensatz zur Bühne selten einen Eintritt. Daher muss die Möglichkeit eines “Austritts” geschaffen werden. Der Applausbutton muss daher sinnvollerweise an diverse für den Künstler sinnstiftende “Aktionen” gekoppelten werden, die da lauten könnten: a) Kaufen b) Empfehlen c) Spenden.
4. Die wichtigste Einnahmequelle bleibt die Performance und die Kunstgüter an sich. Egal ob Merchandising, das Kunstwerk selbst oder Tickets zur nächsten Vorstellung – die Verknüpfung zu eCommerce-Angeboten (Kaufen) muss unmittelbar mit dem Applausbutton verbunden sein.
5. Eine weitere Form der Wertschätzung ist die Weitergabe (Empfehlen). Wenn man schon nicht bereit ist den Künstler monetär zu unterstützen, vermittelt man ihn vielleicht weiter an jemanden, der das kann und gerne macht oder ihm eine Bühne oder sonstige Unterstützung zukommen lassen kann.
6. Schließlich gibt es noch die Form der monetären Unterstützung (Spenden). Das Spendensystem funktioniert aber nur in einem vereinfachten System mit Mikropaymentfunktion. Idealerweise wird der Betrag direkt von der Telefonrechnung oder anderen barrierefreien Zahlungsmethoden abgebucht. Das Unternehmen Flattr arbeitet bereits an solchen Lösungen.
7. Sponsoren sollten theoretisch die Möglichkeit erhalten, sich an den Applaus-Button anzudocken. Als Feedback für das Drücken auf den Applausbutton erhält der Applausgebende vielleicht eine Botschaft vom Sponsor, während dieser wiederum für jeden digitalen Applausklick einen Betrag X an den Künstler übermittelt.
8. Es sollte ein zentrales Kulturportal geben, auf dem alle diese Aktivitäten sichtbar und transparent dargestellt werden, es dient gleichzeitig dazu, sich über neue Kulturangebote zu informieren. Hierbei handelt sich also um eine Art Facebook für die Kulturwelt. Registrierte Nutzer sollten dort auch mit exklusiven Angeboten und Informationen versorgt werden.
9. Der Applausbutton sollte natürlich die Fan-Funktion beinhalten. Sobald ich Fan werde kann ich aktiv MIT dem jeweiligen Künstler zusammenarbeiten. Das geschieht zum Teil jetzt schon auf Marketingplattformen der großen Musikproduzenten, bei dem Fans für Marketingaktivitäten eingebunden werden. Für kleine Künstler und Kulturschaffende könnte diese Funktion hingegen bedeuten, dass man das Fanpotenzial direkt auf unterschiedliche Art und Weise nutzt. Mit der Bekennung zum Fan, öffnet sich der Künstler für eine weitere und intensivere Interaktion. Auch hier spielt Exklusivität eine extrem wichtige Rolle. Natürlich sollte diese Funktion freiwillig angeboten werden.
10. Ein Belohnungssystem für das Projekt “Applausbutton” muss erstellt werden, schließlich funktioniert das Prinzip nur in Breite, wenn möglichst viele Menschen aktiv daran teilhaben. Je mehr ich Applaus gebe, desto mehr muss ich davon haben. Werde ich Fan, so “spiele” ich mich in den engeren Fankreis vor. Fans treten auch immer in Wettbewerb mit anderen Fans. Wer ist der bessere Fan? Wer weiß mehr? Wer ist verrückter bzw. kreativer als Fan usw. Je mehr ich als Besucher interagiere, desto exklusiver wird vielleicht mein Kontakt zum Künstler.
Zusammengefasst muss allen klar werden, dass es darum geht eine Win-Win-Situation zwischen ganz vielen Interessensgruppen zu ermöglichen. Wir haben die Künstler, die Kulturmanager, die Sponsoren/Förderer, die Bühnen und natürlich das Publikum. Sie könnten durch dieses grob skizzierte Geschäftsmodell alle voneinander profitieren. Sie könnte damit besser digital vernetzt werden und somit das Potenzial des Internets besser ausschöpfen. Die große Stärke der digitalen Vernetzung ist die Kooperation (im Gegensatz zum Modell der Konkurrenz), wer diesen Gedanken verinnerlicht hat, wird automatisch auch erfolgreiche Geschäftsmodell im und mit dem Web finden. Eine Fangemeinde kann man nicht erstellen, man kann sie nur finden und zusammenführen.
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