Es wäre zu einfach und somit auch zu langweilig noch weiter auf die platten Werbebotschaften, die Bullshitbingosprache und das übliche Top-Down-Gehabe des Kommunikationskonzerns unter dem Deckmantel eines Blogs weiter einzugehen. Es wäre ja auch nur Wasser auf den Mühlen der gewünschten Aufmerksamkeit. Alle dort getätigten Fehler wurden bereits vor Jahren schon ausgiebig in der Blogosphäre analysiert, diskutiert und eigentlich als gegebenes Wissen dokumentiert. Von daher war auch abzusehen, was geschieht, wenn plötzlich mehr oder weniger bekannte Bloggergrößen (die der Durchschnittsbundesbürger wahrscheinlich eher vom gemeinsamen Einkauf beim Bäcker kennt als aus dem Internet) für ein großes Unternehmen mit schlechtem Ruf in punkto Kundendialog werben. Da kann die Marketingabteilung von Vodafone noch so scheinheilig beteuern, dass dies keine Testimonials, keine Werbefiguren seien, sondern ganz authentische Menschen wie du und ich seien. Der Amerikaner würde nun sagen “talking bull”. Aber wer weiß, vielleicht war auch gerade das so beabsichtigt. Für mich persönlich wäre das umso schlimmer.
Natürlich ist die hereinbrechende Welle der hämischen Kommentarflut unschön für die Bloggerin Frau Schnutiger. Und ich selbst finde es unverantwortlich von den sogenannten Social Media Beratern, dass sie diese Flut der persönlichen Beschimpfungen einfach so zulassen, sich nicht schützend vor ihre Blogger stellen, das Ganze abbrechen (ja auch dann wird Kritik kommen, aber Frauen und Kinder zuerst) sondern sichtlich die dadurch generierte Aufmerksamkeit – bad PR ist für die immer noch good PR – genießen und sich ihre Hände reiben, weil die ganze Story nun auch die klassischen Onlinemedien erreicht hat. Gratulation! Ziel der Aufmerksamkeitsgenerierung ist erreicht.
Zusätzlich können sich die Verantwortlichen auch freuen, dass nun die Web 2.0 Gemeinde in der Öffentlichkeit ebenfalls über den Kamm geschert werden und als pöbelnder Mob stilisiert werden, die nur darauf lauern, die nächste Sau durchs Dorf zu peitschen. Auch so kann man Dialoge – so heftig sie auch wirken – kaputt machen. Kritik ist nicht gleich Häme ist nicht gleich Bedrohung. Ich persönlich fand viele der kritischen Kommentare sicherlich unsachlich, unpassend und einfach unhöflich, doch ich vertrete auch die Ansicht, dass man durchaus das Echo vertragen muss, wenn man in den Wald bzw. in das Netz hineinbrüllt. Man muss trennen zwischen Beziehungs- und Inhaltsebene. Und sowieso sollte man sich – wenn man schon nicht von anderen beschützt wird – ein dickes Fell im Netz zulegen. Das Netz ist komprimiertes Menschsein udn wir alle wissen wieviele A…ndersartige Menschen da draußen umherlaufen.
Als verwunderter Unbeteiligter entsteht nun das Lesen des Spiegel-Online-Artikels der Eindruck als sei das Netz abgrundtief böse, gefährlich und auch irgendwie irrelevant aber irgendwie strange. Das Vertrauen und die Hoffnung auf Dialoge sind mal wieder zunichte gemacht. Wer das liest, hat keinen Bock mehr sich hinzustellen und etwas zu sagen. Gut für die großen Unternehmen, sie können an ihrer Top-Down-Strategie festhalten und ohne Rückkanal senden, senden, senden, senden …
Was ich aber weitaus tragischer finde ist, dass durch diese Eskapaden einiger Werbemenschen, nicht nur die frischgebackene Mama Schnutinger dem “Minipöbel” zum Fraß vorgeworfen wurde, sondern dass dieser Case nun wieder eine große Abschreckung ist für Unternehmen, die wirklich ein Interesse daran haben über sich, aber auch MIT den interessierten (gerne auch kritischen) Zuhörern per Blog zu kommunizieren.
Ich selbst bin an diese Hochschule geholt worden, um den Bereich Social Media auszubauen. Natürlich dient das Blog und alle anderen Maßnahmen dazu Studierende für unsere Hochschule zu begeistern. Unternehmen zu überzeugen Kooperationen mit uns einzugehen und unsere Absolventen später einzustellen. Ich könnte diesen Job übrigens nicht machen, wenn ich nicht selbst von diesem Unternehmen, der Instutition, dessen Füührung, der Philosophie und den darin arbeitenden Menschen überzeugt bin. Sicher, ich habe es einfacher, es ist kein anonymer Riesenkonzern, hier ist alles noch sehr familiär (natürlich mit allen Facetten die ein Familiensystem hervorbringt, also nicht nur das schnuckelig-heimelige) und offen, genau das macht es für mich so reizvoll als stellvertretender Kommunikator zu arbeiten. Aber ich will hier ja keine One-Man-Show machen als PR-Heini agieren, sondern auch nur als Teil des Systems sprechen und möglichst viele andere Systemteilnehmer dazu ermuntern, sich hier offen zum Dialog zu stellen oder einfach über ihren Alltag an der Hochschule zu berichten. Das ist mühsam, aber es lohnt sich langfristig.
Tja, und da macht so ein Case wie Vodafones Social Media Berater ihn hingelegt haben die Sache nicht wirklich einfacher. Die Angst vor schlimmen Konsequenzen überwiegt. Aber ich brauche als Kommunikationsleiter begeisterte Blogger im Unternehmen, wenn ich möchte, dass sich mein Unternehmen nach draußen möglichst offen und authentisch darstellt. Mit der Angst im Nacken, wird mir das aber nicht gelingen. Daher ist der Fall Vodafone gerade für Leute wie mich, die kleine aber feine Corporate Blogs aufbauen wollen, die Kanäle wie Twitter tatsächlich zum Dialog nutzen wollen, absolut fatal.
Nochmal. Es ging bei dem Fall Schnutinger nicht darum, dass ein Unternehmen in ihrem eigenen Corporate Blog Werbung gemacht hat, sondern dass eine bezahlte Bloggerin von außen für Produkte des Unternehmens geworben hat, welches sie seit drei Monaten kostenfrei besitzt und aber noch nicht einmal die von ihr beschriebenen Aktionen (Bilder hochladen etc.) ausgeführt hat, die sie in ihrem Beitrag so begeistert geschrieben hat. Sie wurde einfach dabei erwischt die Unwahrheit zu sagen – auch wenn sie noch so banal erscheint. Genau das ist der Punkt, warum die Leute sich so darüber aufgeregt haben. Das Unternehmen und ihre großen Vertreter selbst spricht nicht – es sprechen ihre eingekauften Werbefiguren, die noch nicht einmal die Produkte so ausprobiert haben, wie sie es behaupten. (Ich bin übrigens sehr froh, dass unser Chef hier wieder mitbloggt – und natürlich all die anderen Mitarbeiter und Studierenden auch, denn das zeichnet ein Corporate Blog aus – Werbung hin oder her)
Abschließend möchte ich noch deutlich mein Verständnis für Frau Schnutingers Rückzug vom Web 2.0 bekunden, auch wenn mich ihre Blauäugigkeit extrem überrascht hat. An ihrer Stelle würde ich ein ernstes Wörtchen mit Konzern und dessen Social Media Beratern (und damit Betreuern und Beschützern) sprechen. Wenn sie denn überhaupt Lust haben zuzuhören.
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